1. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Change (Management) & Ambidextrie?
Der Sinnspruch, dass nichts so beständig ist wie der Wandel, hat Einzug in unseren allgemeinen Sprachgebrauch gehalten. Change Management ist Ausdruck der Tatsache, dass Veränderung nichts ist, was man „so nebenbei“ bewältigen kann: Es ist eine neue Management-Form „geboren“ worden, die mittlerweile aber auch schon wieder in Verruf geraten ist. Hintergrund dafür ist, dass Veränderungen immer tiefe Anknüpfungspunkte an Identifikation, Werte, Überzeugungen und Handlungsroutinen haben, die man nicht ohne weiteres einfach „hin-managen“ kann, wie man sie gerade braucht. Stattdessen entziehen sich besonders kulturbezogene Aspekte einer deterministischen Steuerung von außen und man muss ein Stück weit darauf vertrauen, dass die Veränderung mitgegangen wird – vorausgesetzt, es wurden beim Konzipieren und Kommunizieren einer Veränderung keine handwerklichen Fehler gemacht.
2. Ambidextrie & Change (Management): Die beiden Betrachtungsweisen
Setzt man Ambidextrie mit Change (Management) in Kontext, ergeben sich zwei Betrachtungsweisen:
2.1 Mit der Ambidextrie zu arbeiten, ist ein Change für Unternehmen.
Aus der Perspektive der Ambidextrie befinden wir uns ständig in einer Welle zwischen „weiter wie bisher“ und „jetzt müssen wir es anders machen“. Die Geschwindigkeit dieser Wechselbewegung hat immens zugenommen. Deshalb ist die ständige Veränderung zur Daueraufgabe geworden. Dass Unternehmen nun – aus der Ambidextrie-Sicht – nicht einfach noch schneller wechseln sollen, sondern zwei widersprüchliche „Betriebssysteme“ gleichzeitig ablaufen lassen sollen, ist ein Change, der entsprechend professionell angegangen werden sollen. Dabei besteht die Veränderung gar nicht so sehr in der Einführung neuer Tools oder Prozesse. Es darf davon ausgegangen werden, dass Bestandteile sowohl des Exploit- als auch des Explore-Modus in quasi jedem Unternehmen zu finden sind. Die Neuerung (und damit auch der Change, der in die Organisation getragen werden muss) besteht darin, dass die Organisation als soziales Konstrukt lernt, mit den der Ambidextrie inhärenten Spannungen konstruktiv umzugehen, d. h. also, sie weder zu verleugnen noch sie zu verteufeln. Der entspannte Umgang auf allen Organisationsebenen ist das Ziel dieses Change-Prozesses.
2.2 Ambidextrie kann Änderungsanlässen in Unternehmen einen erklärenden Rahmen verleihen.
Dieser zweite Aspekt ist eine notwendige Schlussfolgerung aus dem vorgenannten Punkt: Mit Hilfe der Ambidextrie hat man die Chance, die Wellen zu erklären und jeweils den Punkt zu benennen, an dem aus einem bewährten „weiter so“ ein „jetzt müssen wir es anders machen“ werden muss, um den langfristigen Erfolgt am Markt nicht zu gefährden. Die ambidextriebezogenen Änderungen mögen oft strategischen Ursprungs sein – seien es Änderungen in den Arbeitsabläufen, die Zusammenlegung (oder das Auseinandernehmen) von Projektteams bis hin zu kompletten Neuausrichtungen von Geschäftsfeldern. Diese Aktivitäten erfordern natürlich auch verschiedenen Maßnahmen und Vorgehensweisen und oft ergibt sich aus dem Umschaltspiel auf der Entscheidenden-Ebene ein Zeitverzug: Die Veränderung kommt erst viel später in den operativen Bereichen an und so passen von der Wahrnehmung her Entscheidung und Veränderung nicht mehr zusammen – Verwirrung und Verweigerung können die Folge sein. Dies ist übrigens ein Zusammenhang, der selbstverständlich für alle Veränderungsprozesse gilt. Er ist nur im Kontext der Ambidextrie so relevant, weil man schlimmstenfalls paradoxe und sich widersprechende Rahmenbedingungen setzt, die ohne tiefergehende Erklärung richtiggehend lähmend wirken können. Ambidextrie gibt den verschiedenen Phasen einen Namen und sie verknüpft eine bestimmte Anforderung (z. B. ein geändertes Kundenverhalten) mit einer verändernden Maßnahme. Wie im Change Management schon lange bekannt, steigt die Akzeptanz von Veränderungen, wenn der Sinn der Veränderung kommuniziert werden kann. Ambidextrie kann also die Schwierigkeiten beim Mitnehmen von Menschen nicht lösen, sie kann jedoch einen erklärenden Rahmen bieten, um Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verdeutlichen. Da dazu gute Führung auf jeder Ebene vonnöten ist, weist man Führungskräften in diesem Kontext eine besonders wichtige Rolle zu.